Der Samson zählt zu jenen regionalen Kulturgütern, die für den Salzburger Lungau und seine Bevölkerung als besonders identitätsstiftend gelten. In der Gegenwart hat der Samson mit den beiden Zwergen als Namensgeber oder Logosujet für touristische und volkskulturelle Marken breite Verwendung gefunden. Aber schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts schrieb Ignaz von Kürsinger in seiner umfangreichen Lungau-Monographie: „Dieser alttestamentarische Todfeind der Philister spielt noch dermalen im Lungau eine nicht unbedeutende Rolle. Er ist dort noch in manchen Orten Hauptfigur bei Festumzügen.“
Die nachvollziehbare Geschichte des Samsontragens beginnt 1720 mit einem Rechnungsbeleg der Corporis-Christi-Bruderschaft in Tamsweg, wonach der Samsonträger für seine Mühe nicht nur mit Speis und Trank, sondern auch in bar entlohnt wurde. Damit steht das Samsontragen in einer Tradition, die uns in jene Zeit des Barock zurückführt, als auf Betreiben der Kapuziner in Tamsweg prunkvolle Umzüge mit Darstellungen aus der Bibel auf großen Schauwägen in den Prozessionen zu Fronleichnam und am Bruderschaftsmontag der Bevölkerung vorgeführt wurden. In den Reihen der Schützen wurde die Riesenfigur des Samson, jenes alttestamentarischen Richters, mitgeführt. Die tatsächlichen Wurzeln des Brauches bleiben jedoch unbekannt. Bereits 1746 kauften die in Murau stationierten Kapuziner einen Samson aus Tamsweg an, womit auch die steirischen Samsonfiguren in engem Zusammenhang zum Lungauer Brauchtum und zum Wirken der Kapuziner stehen. Die Ausbreitung der Samsontradition auf die anderen Lungauer Gemeinden erfolgte aus unterschiedlichen Motiven heraus – als Ausdruck der Volksfrömmigkeit, als Zeichen traditionsverbundener Volkskultur oder einfach als Hochzeitsgaudi. Zumeist repräsentieren die ältesten schriftlichen Erwähnungen jedoch nicht den Ursprung des Brauches, sondern vielmehr eine zeitweilige Unterbrechung, eine zufällige Notiz in Form eines Rechnungsbelegs oder eines amtlichen Berichts.
Ursprünglich wurden die Samsonfiguren bei den Prozessionen mitgetragen. Infolge der obrigkeitlichen Verbote nach 1786 im Zuge der Aufklärung verlagerte sich das Samsontragen auf die Tage vor den Prozessionen bzw. auf die Nachmittage danach. In dieser Form hat sich der Samsonumzug bis in die Gegenwart erhalten. Der Samson mit einem Gewicht zwischen rund 65 und 105 kg lastet auf den Schultern eines einzelnen Samsonträgers. Dieser trägt ihn beim Tanz oder beim Marschieren zur Musik der örtlichen Blasmusikkapelle allein, ansonsten wird er von vier „Aufhabern“ gestützt. Das Brauchtum wird von eigenen Samsongruppen aufrechterhalten, findet aber durch die Gemeinden und die Musikvereine jede Unterstützung. Vor den Häusern von Honoratioren und Gönnern sowie zur Unterhaltung der Menge interessierter Besucher wartet der Samson mit Ehrentänzen auf. Einige Samsonfiguren werden von zwei „Zwergerln“ flankiert, die im Lauf der Zeit schon verschiedensten Deutungen ausgesetzt waren. Letztendlich dienen sie dazu, um mit ihren Späßen die Menschenmenge, vor allem aber die ausgelassene Kinderschar, die zu jedem Samsonumzug gehört, auf Distanz zu halten und so für die Sicherheit zu sorgen. Abgesehen von den Umzügen an den Prozessionstagen rücken die Samsonfiguren zu besonderen Anlässen für die Heimatgemeinden oder in Zusammenarbeit mit den Fremdenverkehrsverbänden aus. Eindrücklich in Erinnerung bleiben jene Samsontreffen, an denen alle Gruppen des Lungaues sowie aus Murau und Krakaudorf teilnehmen, wie zum Beispiel 2002, als Umgangsfiguren aus Matadepera/Spanien der Partnergemeinde Mariapfarr die Aufwartung machten. Veranstaltungen wie diese zeigen eindrücklich, dass der Samson für den Lungau nach wie vor ein Kulturgut ersten Ranges ist und bleibt.
Text: Dir. Klaus Heitzmann